Es ist heiß, schwül und manchmal regnet es den ganzen Tag lang wie aus Kübeln. So etwas wie Verkehrsregeln gibt’s wohl nicht, stattdessen hupt man bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Es ist also sehr laut. Dazu kommen dann noch tausend verschiedenen Farben, Gerüche und Menschen; So erlebte ich Indien.

In Bombay leben 21 Millionen Menschen, 60% davon in Slums. Ein typischer Ferienort für 18-jährige ist die 4. größte Stadt der Welt somit wohl eher nicht, dennoch waren diese Sommerferien die besten meines Lebens. Seitdem meine Patentante vor 8 Jahren nach Indien zog, um in einem Kinderheim für Mädchen zu arbeiten, hatte ich den Wunsch, sie zu besuchen. In diesem Sommer, dem letzten vor meinem Abi, konnte ich mir diesen Wunsch erfüllen.

„Nicht alles, was ich erlebt habe, war einfach zu verdauen.“

Die meiste Zeit verbrachte ich in diesem Heim, half im Haushalt und den Mädchen bei den Hausaufgaben. Nicht alles, was ich erlebt habe, war einfach zu verdauen. Es ist eine Sache, im Fernsehen einen Beitrag über Armut zu sehen und eine ganz andere, mit Kindern im Slum zu spielen; zu sehen, wie ihre Augen strahlen, wenn man ihnen zum Beispiel eine Zahnbürste schenkt. Einerseits war es hart, sich zu vergegenwärtigen, wie ungerecht diese Welt ist. Andererseits war es auch gut, zu erfahren, dass es auch an scheinbar hoffnungslosen Orten so viel Freude und Zuneigung gibt.

Ich habe während meines Aufenthalts viele bewundernswerte Menschen kennengelernt, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, vernachlässigten Kindern zu helfen. Einige von ihnen durfte ich mehrmals bei ihrer Arbeit im Slum begleiten.

Anni zusammen mit einer Indischen Familie, die vom Müllsortieren lebt.

Als wir uns ihrer kleinen Baracke an einer Straßenecke näherten, liefen plötzlich knurrende und bellende Straßenhunde auf uns zu. Zunächst wich ich zurück, auf eine Bisswunde war ich wirklich nicht scharf. Aber dann wurde mir erklärt, dass diese Hunde für die dort lebenden Familien überlebenswichtig sind. Falls jemand versucht, sie nachts zu überfallen, schlagen die Hunde Alarm. Genauso verhielt es sich mit vielem, das ich in Indien sah; ich konnte es nicht auf Anhieb verstehen. Warum entscheiden sich tausende Menschen dazu, im Slum zu leben, obwohl der Staat ihnen teilweise viel Geld für ihr Grundstück bezahlen würde? Und warum schütteln Inder mit dem Kopf, wenn sie etwas bejahen wollen? Es ist manchmal anstrengend, in einer Kultur zu leben, in der man oft etwas falsch macht, ohne es überhaupt zu bemerken. Aber es tut auch gut, einmal über den Tellerrand hinwegzuschauen.

Ein Auslandsaufenthalt bietet auf jeden Fall die Möglichkeit, viele neue Erfahrungen zu sammeln und sich selbst vielleicht ein wenig besser kennenzulernen. Manchmal muss man sich ein wenig überwinden. Aber am Ende zahlt es sich aus, etwas zu wagen, etwas Neues auszuprobieren.