Es gibt viele gute Bücher. So viele, dass man niemals alle wird lesen können. Dies ist meine bisherige Top Ten:

1. Paolo Giordano, „Die Einsamkeit der Primzahlen“, Heyne Verlag

Paolo Giordano beherrscht das Schreiben wie kein Anderer. Mit 26 Jahren erhielt er für seinen Debütroman den bedeutendsten Literaturpreis Italiens. Als jüngster Autor in der Geschichte. Nebenbei besitzt er einen Doktortitel der Physik. Spielerisch geht er mit der Sprache um, seine poetischen Vergleiche besitzen unglaubliche Kraft, die Beschreibungen der seelischen Verfassung seiner Protagonisten sind emotional, ohne jemals kitschig oder gekünstelt zu wirken, subtil, ohne Wichtiges zu verschleiern. „Die Einsamkeit der Primzahlen“ hat mich nicht nur begeistert, der Roman hat mich geprägt, so sehr, dass ich ihn bereits ein zweites Mal gelesen habe. Denn der Autor findet Worte für das Unaussprechliche, das, was in uns vorgeht, in der Luft zwischen uns hängt, nicht nachzuvollziehen ist, aber eben doch wahrnehmbar.

2. Ray Bradbury, „Fahrenheit 451“, Diogenes Verlag

Im Nachhinein geniere ich mich dafür, doch früher fand ich sie immer furchtbar langweilig. Die weißen Bücher, an denen das einzig Bunte das Cover auf der Vorderseite ist. Bis ich ihren Inhalt entdeckte. „Fahrenheit 451“ ist ein Science-Fictionroman, geschrieben in den fünfziger Jahren, doch so aktuell wie nie zuvor. Er handelt von einer Welt, in der Menschen, die sich nahestehen sollten, einander selbst entfremden, da sie mit ihren Familien nur noch über Bildschirme kommunizieren. Menschen, die lediglich Konsumenten sind, welche von den Medien bestmöglichst unterhalten werden wollen. Menschen, die in einer Welt leben, in der jegliche Individualität und eigenständiges Denken durch die Gesellschaft und den Staat unterdrückt werden. Eine Welt, in der man Bücher verbrennen lässt und mechanische Hunde auf Menschen hetzt. Eine Welt, in der nur noch Turbinenautos fahren, kaum ein Fußgänger mehr über die Straße geht. In dieser Welt lebt Guy Montag, ein Feuerwehrmann, hauptberuflich Bücherverbrenner. Bis das aus der Reihe fallende Nachbarsmädchen namens Clarisse McClellan ihm die Augen zu öffnen beginnt. Bradburys Zukunftsvisionen sind erschreckend, weil sie furchtbar authentisch sind. Sie haben mich zum Nachdenken gebracht. Und zum Zweifeln.

3. Janne Teller, „Nichts, was im Leben wichtig ist“, Hanser Verlag

Sie suchen nach dem Sinn des Lebens? Lesen Sie nie, niemals „Nichts, was im Leben wichtig ist“. Denn dieses nihilistische Buch über das radikal ausartende Experiment einer dänischen Schulklasse zeigt uns, dass das Leben letztendlich gar keinen Sinn hat, alles von der Vergänglichkeit aufgefressen wird. Der Effekt: man beginnt über den Sinn der eigenen Existenz genauer nachzudenken, nach Gründen zu suchen, weshalb es sich eben doch zu leben lohnt. Und wenn es nur das Farbenspiel des morgendlichen Sonnenaufgangs ist.

4.Patrick Süskind, „Das Parfum“, Diogenes Verlag

Jean-Baptiste Grenouille ist ein autistisches Genie, dessen höchste Gabe das „Erriechen“ und Sammeln von Düften ist. Sein Ziel lautet: das beste Parfum der Welt zu kreieren. Klingt schön, ist es aber nicht. Denn um den Duft der Mädchen und Frauen zu gewinnen, mordet Grenouille. Morde für einen hohen Preis… „Der beste deutschprachige Roman seit Jahren.“, sagten die Kritiker. Schlagen Sie die erste Seite auf und überzeugen Sie sich selbst.

5. Wolfgang Herrndorf, „Bilder deiner großen Liebe“, Rowohlt Verlag

Zugegeben, der Titel mag kitschig klingen. Der letzte unvollendete Roman des Autors, der sich mit achtundvierzig Jahren wegen eines unheilbaren Gehirntumors am Hohenzollernsteg in Berlin erschoss, ist es jedoch nicht. Das Thema: Isa, ein für ihr junges Alter ungewöhnlich reifes Mädchen, bricht — barfuß und ohne Gepäck — aus der Pschychiatrie aus, um zu ihrer Halbschwester nach Prag zu gelangen. Auf ihrer Reise trampt sie durch halb Deutschland, begegnet den außergewöhnlichsten Menschen und übernachtet im Freien. Ein tiefsinnigerer Roadmovie als Wolfgang Herrndorfs erfolgreicher Jugendroman „Tschick“, doch vom selben Unterhaltungswert. Ich hätte nicht gedacht, dass das postum herausgegebene Manuskript das bisherige Gesamtwerk des Autors noch übertreffen kann.

6. Paolo Giordano, „Der menschliche Körper“, Rowohlt Verlag

Der zweite Roman des jungen Italieners handelt von einem vollkommen anderen Thema als der Liebe: dem Krieg. Dem Bundeswehreinsatz italienischer Soldaten in Afghanistan, um genau zu sein. Wie die Männer (und Frauen), — manche mit gemischten Gefühlen, manche auf der Suche nach einer Herausforderung -, aufbrechen und verändert zurückkommen. Der Autor beschreibt nicht nur das Privatleben der Soldaten, sondern auch ihre Eingliederung in die militärische Hierarchie. Eine Hierarchie, die während des Einsatzes selbst noch strikter erscheint als zuvor, beinahe gnadenlos. Die meisten Veteranen kehren zurück, können sich jedoch nicht mehr in den einst heimischen Lebenswelten zurechtfinden. Ihr Trauma wird nicht beschrieben, es wird lediglich angedeutet durch ihre veränderten Verhaltensweisen. Oberste Priorität: die Erinnerungen zu verdrängen. Eingestehen tut sich dies jedoch niemand. Auch mit seinem zweiten Roman ist dem Autor ein erneutes Meisterstück sprachlicher Stärke gelungen.

7. Stephen Chbosky, „The perks of being a wallflower“, MTV books (englische Ausgabe)                                                                                                                                                                                         Nicht umsonst stand dieses Buch 1999 monatelang auf der Bestsellerliste der New York Times. Charlie, der jugendliche Protagonist, schreibt Briefe an einen unbekannten Freund. Er berichtet von seinem Alltag, von seinen Problemen, davon, dass er nicht so recht am Leben teilnehmen kann, obwohl er es versucht. Und der High School, vor der es ihm zunächst graute, in der er dennoch gute Freunde gefunden hat. Ein wunderbares Buch über die Schmerzen und Freuden des Erwachsenwerdens, sehr ehrlich und keineswegs realitätsfern (auch wenn es von einem Erwachsenen geschrieben worden ist).

8. Antonia Michaelis, „Der Märchenerzähler“, Oetinger

Eine sehr gelungene Mischung aus Liebesgeschichte und Krimi, verpackt in einen fesselnden Jugendroman. Abel Tannatek, von allen nur als „der polnische Drogendealer“ angesehen, gilt in der Schule als unnahbarer Außenseiter. Bis Anna, eher unscheinbar und zurückhaltend, ihm durch einen Zufall näherkommt und sich verliebt. Abel vertraut ihr, macht sie mit seiner kleinen Schwester Micha bekannt, für die er alleine sorgt, und erzählt ihr ein Märchen, dessen Inhalt Anna zunächst äußerst rätselhaft erscheint. Bis in der Gegend die ersten Morde geschehen und Abel zusehends verdächtigt wird. Die Grenzen zwischen Lüge und Wahrheit beginnen zu verschwimmen. Und das Drama nimmt seinen Lauf…

9. Mark Watson, „Elf Leben“, Eichborn Verlag

Ein Roman voll schicksalhafter Verstrickungen. Xavier Ireland arbeitet als Radiosprecher in einer Londoner Latenightshow und hilft den ratsuchenden Menschen am anderen Ende der Leitung ihre Probleme zu lösen. Dass er dabei seine eigenen Probleme, insbesondere seine schwerwiegende Vergangenheit und sein eher einsames Privatleben, völlig außer Acht lässt, verdrängt er gern. Bis Xavier zufällig ein weiteres Menschenleben beeinflusst und eine Kette von Ereignissen auslöst, deren Konsequenzen wieder auf ihn zurückfallen werden. Da kommt es gerade recht, dass er sich in Pippa, seine lebensfrohe Haushaltshilfe, verliebt.

10. Rodman Philbrick, „Freak“, Ravensburger Buchverlag

Als ich das Buch vor einigen Jahren las, war ich fasziniert von der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen Max, dem menschlichen Hünen und Kevin, einem kleinwüchsigen Jungen mit krankheitsbedingten Wachstumsproblemen. Max ist zwar kräftig, aber geistig „ein wenig zurückgeblieben“, während der Autor Kevin als äußerlich schwaches, jedoch unschlagbar schlaues Genie auftreten lässt. Zusammen erlebt das ungewöhnliche Gespann der beiden Jungen allerhand Abenteuer. Bis Max von seinem Vater entführt wird, der auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen wurde, und vor Jahren dessen geliebte Mutter ermordet haben soll…

Viel Spaß beim Lesen wünscht Lisa Neumann, Q3